Parteibuch für ,,Hitler“ (aus der Illustrierten „Stern“ Nr.37 vom5.9.2002)


Ob die Parteien wohl auch einen wie Hitler aufnähmen?“, fragte sich der Kölner Autor Rainer Popp angesichts von Po­litikverdrossenheit und Mitgliederschwund. Unter dem Pseudo­nym Rudolph Lehwald schickte der 56-Jährige Ende Juli gleich lautende Bewerbungsschreiben an CDU, SPD, CSU, FDP und Grüne - versehen mit längeren Passagen aus Adolf Hitlers Buch "Mein Kampf‘" "Der Stärkste an Mut und Fleiß erhält ... das Herrenrecht des Daseins zugesprochen. Nur der geborene Schwächling kann dies als grausam empfinden“, schwadronierte Lehwald. Und weiter: ,,Am Ende siegt ewig nur die Sucht der Selbsterhaltung. Unter ihr schmilzt die sogenannte Humanität als Ausdruck einer Mischung von Dummheit, Feigheit und ein­gebildetem Besserwissen wie Schnee in der Märzsonne.“

Obwohl Rainer Popp die haarsträubenden Hitler-Worte nicht als solche gekennzeichnet hatte, rechnete der Schriftsteller (»Deutschland zum TÜV“, Argon Verlag) mit Ärger: ,Wenn es an der Tür schellte, erwartete ich eigentlich Herren in Ledermän­teln!‘ Doch statt des Staatsschutzes kam der Postbote mit einem Schreiben von der Kölner CDU. ,,Ihren Brief habe ich mit Inte­resse und Genuss zugleich gelesen‘ antwortete deren Geschäftsführer Max Motek. "Mlt ihren Ansichten sprechen Sie mir voll aus der Seele, zumal diese doch auch der Realitäten entsprechen. Ich freue mich sehr über ihre Absicht, der CDU Deutschlands beizutre­ten.“ Kurz darauf freute sich auch der Kreisverband Ingolstadt der CSU auf sein neues Mitglied. Die FDP Köln schickte ebenfalls einen Aufnahmeantrag. Nur bei Rot-Grün musste Popp mahnen. Auf telefonische Nachfrage begrüßte die Kölner SPD den Möch­tegerngenossen mit den sozialdarwinistischen Auffassungen. Nach mehreren Anrufen reagierten am Ende auch die Grünen:

»Toll, dass Sie bei uns Mitglied werden möchten!"

Auf den Briefwechsel angesprochen, will CDU-Mann Motek das Hitler-Zitat überlesen haben. Bei der Kölner SPD hatte eine Praktikantin das Begrüßungsschreiben unterzeichnet.

Ende des Stern-Zitates.

Da sieht man wie unbedeutend die “Demokratie” bei uns in Wirklichkeit ist. Die da oben heucheln das Interesse an uns Bürgern nur, in Wirklichkeit interessieren wir sie einen Scheißdreck. (Allerdings vermute ich, dass das bei meiner Partei besser ist.) Und dann sollen wir alle Sauereien die man uns in vier Jahren antut, einfach mit einer einmaligen Stimmabgabe kompensieren? Dazu kann ich auch noch was erzählen.

Ich war mal Wahlhelfer und habe bei der Wahl mit den elektronischen Abstimmgeräten am Kontrollschalter gesessen. Wir saßen da immer zu dritt oder viert. Zwei haben die Personalien kontrolliert und ich mußte mit einem Schalter das Gerät freigeben wenn einer abstimmen durfte und dafür sorgen, dass keiner zweimal drücken konnte. Zeitweise wurde ich von einem anderen abgelöst. Und dann hatten wir am Abend, bei der automatischen Auszählung eine Stimme zuviel im Kasten. Die Leute standen zeitweise in Trauben an unserem Tisch und wuselten durcheinander, manche beschwerten sich der Kasten würde nicht funktionieren, andere waren mit ihrer halbblinden Oma gekommen, der sie beim Knopfdrücken helfen mußten, ich mußte dauernd fragen, der da, habt ihr den schon in der Liste überprüft? und die hier, darf die wählen? weil die Personalienprüfer die Leute schneller abfertigten, als die Leute mit der Abstimmaschine klarkamen. Und natürlich hatten wir auch überhaupt keine Schranken oder sowas, um Ordnung in die Leute zu bringen. Sondern die Überprüften wuselten mit denen durcheinander, die noch auf die Überprüfung warteten. Trotzdem ich kann mich an keinen Fehler erinnern. Muß ja auch nicht bei mir gewesen sein. Aber wir hatten einen , der sich blöd stellte und versuchte, zweimal dranzukommen. Haben wir natürlich bedauernd abgelehnt. Aber vielleicht hat der Kerl es ja doch noch irgendwie geschafft. Oder jemand hat jemanden mitgebracht, der zwar stimmberechtigt war, aber nicht registriert wurde. Keine Ahnung. Natürlich mußte ich die Zeugenaussage über die überzählige Stimme unterschreiben. Aber es gibt keine Hinweise darauf, um wessen Fehler es sich wirklich handelt. Wir hatten also eine Stimme zuviel. Stellen Sie sich vor, es wäre ihre Stimme die dadurch ungültig würde!!! Da ärgert man sich. Tja, wir sind nach Hause gegangen und haben Feierabend gemacht. Was sollten wir sonst tun? Gemessen daran, was die Stimmabgabe angeblich für eine wichtige Sache sein soll, hätte doch eigentlich die Kripo kommen müssen, alles auf den Kopf stellen Phantombilder malen... Und so eine Nebensächlichkeit, die einfach folgenlos verpufft ist nun die Grundlage unserer Volksherrschaft!? Kaum zu glauben. Na, ja, statistisch ist das nur ein kleiner Fehler, wir hatten ja ein paar hundert im Kasten. Trotzdem soll das alles sein, was ein Mensch in vier Jahren zu sagen hat? Das kann doch wohl nicht sein. Dann war das ja fast so'ne Art Mord. Aber damit umgegangen wurde so ähnlich wie mit falsch parken. Und mit dem elektronischen Stimmgerät existiert nicht mal mehr ein physischer Beweis, wenn die Wahl durch dessen Programmierung manipuliert wird. Wir dürfen nur noch dran glauben. Man muß es leider zugeben: Die Reduktion der Demokratie auf vier-jährige Stimmabgabe ist lächerlich, wenn noch nicht mal richtig kontrolliert wird. Vor allem wenn einem dann noch gesagt wurde: Wenn Sie unter dieser Regierung ihr Recht nicht bekommen, wählen Sie doch einfach eine andere.

Wir brauchen andere und zusätzliche Kontrollformen der Gesellschaft.